Manchmal, wenn es schnell gehen muss, gibt es bei uns Hühnernudeltopf von Erasco. Oder Hawaii-Toast. Ich bin Fan von Hawaii-Toast, denn er ist schnell zubereitet und die Ananas hat auf mich eine beruhigende Wirkung. “Seht her!” lautet die Botschaft “Es gibt jetzt Ananas, ich stehe kurz vor einer Saftkur, ich hab noch nicht die Kontrolle über mein Leben verloren!”
Leider hält die beruhigende Wirkung nicht besonders lange an. Man ist ja nicht dumm, man kriegt ja so allerhand mit. Kohlenhydrate soll man abends nicht mehr essen, Ananas aus der Dose ist ein Scherz, das Gluten im Toast wird meinen Stoffwechsel verwüsten und der Käse stammt aus dem Reagenzglas und wird meine Magenschleimhaut verätzen.
Vor ein paar Monaten hat die WHO dann auch zu allem Überfluss noch herausgefunden, dass Fleisch ab einer gewissen Menge lebensgefährlich sein kann. Es ist leicht, sich heutzutage schlecht zu ernähren. Kurz nicht aufgepasst und schon richtet man mit einem unbedacht zubereiteten Nudelauflauf seinen Körper zugrunde.
Schon morgens bei der allerersten Mahlzeit des Tages kann man eine Menge falsch machen. Erinnert sich noch jemand an Nutellabrote und Trinkpäckchen? Grundnahrungsmittel jedes Grundschulkindes. War das nicht eine wunderschöne Zeit? Leben am Limit, wir hätten jederzeit an Skorbut sterben können. Das ist lange her. Helmut Kohl war noch Kanzler. Man wurde älter, ging zu Müsli über, griff schließlich zu Obstsalat, bis die Fruktose uns ein Loch in den Bauch ätzte.
Einer der Gründe, weshalb ich die 90er manchmal ein bisschen vermisse, ist, dass man damals weniger mit Ernährungsempfehlungen bombardiert wurde. Wir kannten die Grundlagen, Avocados waren uns scheißegal, wir hatten ja nicht mal einen Busen, wir wussten nur: Chips sind ungesund. Tütensuppe ist ungesund. Cola ist ungesund.
Zehn Überraschungseier kaufen, die Schokolade aufessen und sich dann darüber aufregen, dass in keinem einzigen Ei ein Happy Hippo ist – auch ungesund (Die Geschichte habe ich mir ausgedacht. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, jemals an einem schönen warmen Sommertag all diese Überraschungseier bei Edeka Buckert gekauft und sie dann 50 Meter weiter auf einer Bank 200 m von unserem Haus entfernt alle ausgepackt und aufgefressen zu haben).
Theoretisch würde es ausreichen, sich an die Grundlagen von damals zu halten. E-Nummern meiden. Die uralte Angst vor dem Frühstücksei überwinden. Weniger Alkohol trinken, dafür mehr Wasser. Aber das ist gar nicht so einfach, wenn man tausend andere Dinge im Kopf hat, von denen man glaubt, dass sie irgendwie wichtiger sind.
Einige sagen, dass der Körper weiß, was er benötigt. Der Körper spürt instinktiv, woran es ihm gerade mangelt und sendet dann dementsprechend Signale aus, man bekommt dann beispielsweise Hunger auf Nahrungsmittel, in denen viel Eisen oder Magnesium steckt oder die besonders eiweißreich sind. Ein schöner, ein tröstlicher Gedanke.
Mein Körper lässt sich darauf allerdings bisher noch nicht ein. Er funktioniert da irgendwie anders. Irgendwie… ich weiß nicht… weniger komplex. Er steigt morgens aus dem Bett und trifft dann einfach irgendeine Entscheidung: Franziska, heute brauchen wir keine Nährstoffe, heute brauchen wir Liebe, es gibt Pizza. Und dann lässt er sich in den nächsten zwölf Stunden auch nicht mehr umstimmen.
Manchmal würde ich gerne jede Ernährungsempfehlung, die mir irgendwo begegnet, ignorieren und trotzig auf irgendeinen Balkon steigen und rufen: „Völker dieser Erde, hört mich an! Selbst die geilste Avocado kann uns nicht unsterblich machen! Wir werden alle sterben! Auch Ray Kurzweil wird irgendwann mal sterben! Jeder von uns steht früher oder später da oben an der Pforte!“(Und freut sich darüber, dass irgendwann Morgan Freeman in einem Golfmobil vorgefahren kommt und uns zur Begrüßung einen weißen Trainingsanzug überreicht.
„Ich verwalte das ganze hier.“ wird Morgan Freeman sagen.
„Gott sei Dank!“ werden wir antworten.
Dann würde ich vom Balkon aus Pommes in die Menge werfen. Die geriffelten. Aber ich tu es nicht. Weil ich weiß, dass es sich lohnt, wenn man sich manchmal zusammen reißt. Also reiße ich mich manchmal zusammen. Und manchmal eben nicht. Manchmal feiere ich Erfolge, die gar keine sind. Zum Beispiel „5 Tage vegetarische Ernährung!“ Oder wenn ich es geschafft habe, drei Tage in Folge zu frühstücken. Das ist für jemanden, dessen wichtige Körperfunktionen erst gegen zehn Uhr morgens abrufbar sind, eine tolle Leistung. Aber ich gebe nicht auf. Trinke seit zwanzig Jahren keinen Zucker mehr im Tee, haben einen Ekel vor Nougatschokolade entwickelt und trinke höchstens einen Liter Cola im Monat. Und diesen Text wollte ich unbedingt veröffentlichen, auch wenn er schon etwas älter ist, immer in den Entwürfen lag und sich schon Schimmel darauf zu bilden begann.
Ihr dürft mir jetzt sehr gern verraten, wie ihr es geschafft habt, vom Morgenmuffel zum Frühaufsteher zu werden. Und vom 1. Vorsitzenden des Kohlehydrate-Fanclubs zum stillen Beisitzer.